Mina K.
Zwischen zwei Welten

Sechster Besuch im Burgtorclub (Dezember 2023)

09.12.2023

Mein letzter Besuch war ja ausnahmsweise ein wenig enttäuschend, was unter anderem daran lag, dass ich alleine dort war. Aber heute ging es meiner Frau wesentlich besser als vor einer Woche und wir wollten zusammen in den Burgtorclub.

Ich trug einen engen schwarzen Minirock, in den silberne Glitzerfäden eingewebt waren, und dazu einen magentafarbenen Halbarm-Feinstrickpulli, der ebenfalls silberne Glitzerfäden enthielt. Meine Beine wurden von einer dieser dick gefütterten Fake Legs Thermostrumpfhosen gewärmt, die so aussehen wie halbtransparente Feinstrumpfhosen.

Als besonderes Gimmick hatte meine Frau ein paar kleine Weihnachtstütchen mit Nikoläusen und anderer Schokolade vorbereitet, die wir an ein paar Leute in der Bar verteilen wollten.

Gegen 22:30 fanden wie immer einen freien und kostenlosen Parkplatz ganz in der Nähe. Kaum hatten wir die Lokalität betreten, wurden wir von Ulla sofort herzlich mit Umarmung und Küsschen links, Küsschen rechts begrüßt. Wir setzten uns an den letzten freien Tisch und bestellten etwas zu trinken. Von unserem Platz aus hatten wir die Tür im Blick und beobachteten die Leute, die kommen und gingen. Es wurde mit der Zeit immer voller, aber niemand gesellte sich zu uns. Ein junges Paar kam und setzte sich an den Nebentisch. Doch sie spielten lieber Kniffel, also ließen wir sie in Ruhe.

Aber irgendwann hatten wir dann doch Kontakt zu anderen Gästen. Und zwar so viel, dass ich mich gar nicht mehr genau an die Reihenfolge der ganzen Ereignisse erinnern kann. Daher sind die folgenden Abschnitte eher als lose kleine Episoden zu sehen.😉

Nach 23 Uhr betraten Lilith und ihre Partnerin, die heute Thekendienst hatte, eilig das Lokal. Sie wirkten leicht gehetzt und waren wohl ein wenig spät dran. Lilith nahm weit entfernt von uns am anderen Ende der Theke Platz, während ihre Freundin an die Arbeit ging.

Lady Jane kam mit einer Freundin, die ebenfalls Trans war, was man ihr aber nicht ansah. Ich winkte Jane zu, aber ich weiß nicht, ob sie mich nicht gesehen hatte oder nicht hatte sehen wollen. Die beiden gingen zunächst ebenfalls ans andere Ende der Bar, vermutlich wieder in diesen Raum mit der Aufschrift "privat" (für manche Gäste scheint das eine Selbstverständlichkeit zu sein). Aber später setzten sie sich neben unserem Tisch an die Bar. Ich suchte erneut den Blickkontakt mit Jane, doch sie wirkte wieder mal leicht abweisend, nickte mir aber irgendwann dann doch zu.

Von unserem Tisch aus beobachten meine Frau und ich eine dunkelhäutige Frau, die am Zigarettenautomaten neben der Tür verzweifelte. Sie warf Geld ein und es viel wieder heraus. Sie drückte irgendwelche Knöpfe. Sie fragte den Türsteher und er erklärte ihr irgendwas, doch Zigaretten bekam sie immer noch nicht. Ich hatte Mitleid und ging zu ihr herüber. Sie sprach nur Englisch und wollte einfach nur eine Schachtel Zigaretten, ganz egal welche. Ich fragte sie nach ihrer bevorzugte Marke. Die Schachtel sollte neun Euro kosten. Sie drückte mir eine Handvoll Zwei-Euro-Münzen und die Hand und ich warf sie nacheinander in den Automaten. Das Gerät war ein wenig widerspenstig und spuckte willkürlich immer wieder mal eine Münze einfach so wieder aus, manchmal zusammen mit dem gesamten eingeworfenen Geld. Aber mit ein wenig Ruhe und Geduld ging es. Als der Apparat die 10 Euro endlich akzeptiert hatte, stand im einem LCD-Display auf deutsch: "Bitte passen zahlen." Kein Wunder, dass die arme Frau verzweifelte! Ich bat sie zu warten und ging zu meiner Frau, um sie nach einem Eurostück zu fragen. Damit bewaffnet versuchte ich mein Glück erneut. Nach sechs Euro rasselte alles wieder heraus und ich startete den Einwurf erneut. Diesmal schaffte ich es, drückte die Nummer für die gewünschte Schachtel und Sekunden später lag sie im Ausgabefach. Die Frau war überglücklich, bedankte sich überschwänglich und umarmte mich herzlich, bevor sie mit ihrem Schatz in der Hand die Bar verließ.

Aufgrund meines Getränkekonsums musste ich das Damenklo aufsuchen. Auf dem Rückweg begrüßte ich Lilith, die an der Bar saß. Sie umarmte mich spontan zur Begrüßung, was ich richtig süß fand. Aber mittlerweile kannten wir uns ja schon ein wenig von meinen vorigen Besuchen. Wir wechselten ein paar Worte bevor ich wieder zu meiner Frau an den Tisch ging.

Etwas später versuchte eine andere Frau ihr Glück am Zigarettenautomaten und hatte ebenfalls ihre Probleme damit. Ich ging zu ihr und sagte, dass sie genau passend zahlen musste. Somit konnte ich auch ihr helfen und sie bedankte sich freundlich. Sie gehörte einer Gruppe von vier Lesben an und im Laufe des Abends hatten wir noch häufiger Kontakt.

Meine Frau und ich wechselten an ein anderen Tisch direkt neben der Tanzfläche, der zuvor noch von einer heiteren Damenrunde bevölkert war. Dadurch bekamen wir weniger Kälte von der Tür ab. Außerdem hatten so Jane und ihr Freundin mehr Platz, um mit so einem Typen herumzualbern. Meine Frau und ich durften das Schauspiel bereits ausreichend beobachten.

Als die/der fürsorgliche Ulla zu uns kam um unsere Bestellung aufzunehmen, überreichte meine Frau ihr/ihm ein paar Weihnachtstüten für das Personal. Ulla strahlte dankbar und verteilte die Beutel an seine Kolleginnen. Sie war oft bei uns und quatschte viel mit uns.

Die Lesbe vom Zigarettenautomaten war mit ihrer Frau auf der Tanzfläche und sie forderten mich auf, mitzumachen. Ich entschuldigte mich bei meiner Frau und nahm die Einladung zum Tanzen freudig an. Die beiden passten gut zusammen. Beide waren nur etwa 1,60m groß und hatten ein eher burschikoses Äußeres. Sie als Kampflesben zu bezeichnen wäre gemein, aber vermutlich hätte sie darüber gelacht. Ein Typ kam zu uns auf die kleine Tanzfläche und tanzte erst die beiden und dann mich aufdringlich an, aber wir Mädels unterstützten uns gegenseitig um ihn abzuwehren. Es wäre vermutlich übertrieben zu behaupten, dass wir uns anfreundeten. Doch nach der Sache mit dem Zigarettenautomaten und dem aufdringlichen Verehrer hatte ich bei den Lesben einen Stein im Brett und wir hatten noch häufiger viel Spaß gemeinsam auf der Tanzfläche, die vier Lesben und ich.

Zwischendurch sah ich, wie Lilith mit Zigaretten in der Hand nach draußen ging. Ich schnappte mir meine Handtasche und folgte ihr. Wir unterhielten uns eine Zigarettenlänge lang, bevor wir wieder ins Warme gingen.

Meine Frau hatte inzwischen andere Gesprächspartner gefunden, die sich als Christoph und Tanja vorstellten. Mit Tanja hatte ich zwischendurch sogar schon getanzt, ohne zu wissen wie sie heißt oder dass sie zu Christoph gehörte. Offenbar hatte meine Frau mit den beiden auch über mich gesprochen, denn als ich mal wieder an unseren Tisch kam, gratulierte mir Christoph zu dem was ich bin. Er bewunderte meinen Mut, als Frau aufzutreten und fand es toll, wie meine Frau damit umging. Er meinte ich müsse echt Eier haben, doch ich erwiderte grinsend, dass ich mir die doch extra weggedrückt hatte.

Als Christoph und Tanja mal anderweitig beschäftigt waren, erzählte mir meine Frau, was vorhin passiert war. Christoph sprach die Kniffel-spielende Frau an und meinte, sie solle doch mal lächeln. Vermutlich um sie in Schutz zu nehmen erwiderte ihr Kniffel-spielender Freund, er möge doch lieber die Fresse halten. Das hatte Christoph wohl leicht in Rage versetzt. Meine Frau befürchtete eine Schlägerei. Dazu kam es dann aber zum Glück doch nicht.

Der aufdringliche Verehrer von der Tanzfläche kam zu mir an unseren Tisch und stellte sich Marlet (oder war es Martel?) vor. Er war Franzose, sprach aber gutes Englisch. Er arbeitet bei einem lokalen Unternehmen, dessen Namen ich nicht genau verstanden hatte. Und er baggerte mich weiterhin an und schob mir ungeniert seine Hand unter den Rock. Ich machte ihm freundlich aber bestimmt klar, dass ich kein Interesse hatte. Er wollte dann aber wenigstens einen Kuss und nach einigem Zögern stimmte ich zu und bot ihm "a small one" an. Und so küsste ich ein paar Sekunden lang einen wildfremden Mann mit Zunge. Das war ein weiteres "erstes Mal" für mich und es war mir gar nicht mal so unangenehm.

Christoph kam zurück an unseren Tisch. Marlet/Martel schaute zu ihm hoch und wurde dafür sofort von Christoph angefaucht, er solle nicht so blöd glotzen, sonst gibt's auf die Fresse. Dabei kam er ihm bedrohlich nahe. Marlet/Martel war ganz offensichtlich von Christophs kräftiger Statur eingeschüchtert und wiederholte immer nur: "Please don't hurt me", bis Christoph endlich von ihm abließ und vorerst verschwand.

Ich sprach mit meiner Frau darüber und wir waren beide sehr verwundert, dass jemand, der ein solches Etablissement der Toleranz aufsucht, solche Aggressionsprobleme hatte. Dabei schien er eigentlich ganz nett zu sein.

Ich ging vor die Tür um einen Joint zu rauchen, den ich mir extra mitgebracht hatte. Dort warteten die vier Lesben auf ein Taxi. Ich wartete mit ihnen und wir plauderten. Als das Taxi kam verabschiedeten wir uns mit Umarmung voneinander.

Ich rauchte meinen Joint. Ein älterer, rundlicher Mann im BVB-Trikot sprach mich an und stellte diverse Fragen zu meiner Person, die ich wahrheitsgemäß beantwortete. Er erzählte mir, dass der Sohn seines Bruders auch Trans sei und dass er das voll verstehe und dass sein Bruder das auch noch lernen musste. Kurz darauf kam sein Bruder dazu und bestätigte die leicht lallend vorgetragene Geschichte.

Wieder am Tisch fragte ich meine Frau, ob sie alle Weihnachtsbeutel verteilt hatte. Auf sie war Verlass, sie hatte sogar an den Türsteher gedacht. Ein Beutel war noch übrig und ich ging damit zu Lilith, die nun ein wenig einsam an der Bar saß. Es war nun deutlich ruhiger geworden. "Hier für dich. Frohe Weihnachten!" sagte ich grinsend. Sie lächelte, nahm das Geschenk dankbar an und packte es gleich aus. "Ich hab so einen Hunger", sagte sie in ihrem süßen berlinerischen Dialekt und stopfte sich eine Schokokugel in den Mund. Ich lud sie ein, an den Tisch zu meiner Frau zu kommen und wir unterhielten uns zu dritt. Lilith erzählte uns aus ihrem Leben und von ihren Problemen, einen Job zu finden. Sie wurde häufig abgelehnt, weil sie Trans sei. Da kam ich nicht umhin, ihr davon zu erzählen, wie ausgesprochen Trans-freundlich doch mein Arbeitgeber sei und dass dort mehrere Trans-Personen arbeiten, die sogar ihrer Transition während ihres Angestelltenverhältnisses durchgezogen haben. Ich versprach ihr, ein gutes Wort für sie einzulegen, wenn sie sich dort bewerben sollte.

Es war schon fast halb sechs, als wir den Club verließen, nicht ohne uns noch von allen herzlich zu verabschieden.


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